Während meines BWL-Studiums habe ich gelernt, dass die 4Ps den perfekten Marketing-Mix beschreiben, um ein Unternehmen oder ein Produkt zum wirtschaftlichen Erfolg zu führen. Product, Price, Place und Promotion waren die Schlüsselworte.

Doch die Zeiten haben sich geändert, weswegen wir eine Neudefinition der 4Ps benötigen.

"Damit das altbewährte 4P-System auch 2019 und in Zukunft funktioniert, schlage ich eine Anpassung vor, bei der lediglich “Product” und “Promotion” erhalten bleiben: “Purpose”, “People”, “Product” und “Promotion”."

— Stefan Luther

Die vier klassischen Instrumente im Marketing-Mix – also das Zusammenspiel aus Produkt, Preis, Distribution und Kommunikation – wurden erstmals um 1960 von Jerome McCarthy vorgeschlagen. Das ist nun schon fast 60 Jahre und damit eine Ewigkeit her. Schaut man sich die Geschwindigkeit der digitalen Welt an, dann entstand dieses Modell gefühlt in der Steinzeit – in einer Welt ohne Smartphone, Smart Home oder Internet im Allgemeinen.

Damit das altbewährte 4P-System auch 2019 und in Zukunft funktioniert, schlage ich eine Anpassung vor, bei der lediglich “Product” und “Promotion” erhalten bleiben: “Purpose”, “People”, “Product” und “Promotion”.

Warum Purpose so wichtig ist

In der heutigen Zeit benötigt jedes Unternehmen einen klaren Endkunden-Mehrwert-Purpose.

Selbstverständlich geht es Unternehmen in der Innensicht auch weiterhin um wirtschaftlichen Erfolg in Sachen Umsatz und Abverkauf; aber zukünftig wird die unternehmerische Ausrichtung zur Schaffung von Mehrwerten für Kunden erfolgen müssen. Denn man kann das beste Produkt der Welt haben – wenn mein Beweggrund dahinter nicht klar und deutlich kommuniziert wird und er dadurch für die Zielgruppe nicht ersichtlich ist – wird es nur schwer erfolgreich.

Als Beispiel dafür dient Kettler, die seit der Gründung 1949 Sportgeräte hergestellt haben und vor Kurzem das Aus verkünden mussten. In meinen Augen hat man hier zu lange aus Produktsicht gedacht und damit den Endkunden-Mehrwert verloren, nämlich dauerhaft für Motivation zu sorgen, den Heimtrainer auch zu nutzen. Genau das hat das amerikanische Startup Peloton perfektioniert, die moderne Sportgeräte mit großen Screens, einer eigenen Community und direkten Zugang zu Personal Trainern ermöglichen.

Als Kunde spüre ich von Anfang an: Peloton hilft mir, dass ich sportlich werde, durch die Apps motiviert bleibe und dabei aber der Zugang zu anderen Menschen nicht verloren geht. Deshalb meine Empfehlung: Unabhängig der internen Faktoren sollte man für sich eine klare Mission und eine Vision definieren und diese über das Wirtschaften nach außen tragen und dort für tatsächlichen Mehrwert Richtung Kunden (z. B. Zeitersparnis) sorgen.

Purpose darf dabei aber nicht zur reinen Marketingstrategie verkommen, sondern muss mit Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen entwickelt werden und somit fester Bestandteil der Geschäftsstrategie sein. Der Punkt “People” – also Menschen – sollte im neuen Marketing-Mix auf zwei Ebenen aktiv angegangen werden. Intern brauche ich motivierte tolle Mitarbeiter, die die Freiheiten bekommen, die gesamte Wertschöpfungskette der Produktentwicklung mitzugestalten.

Hierbei werden crossfunktionale Teams um Funktionen herum gebaut, anstatt Teilprodukte in unterschiedlichen Bereichen zu entwickeln. Für mich ist der wichtigste Aspekt, dass sich in die Zielgruppe hineinversetzt wird. Nutzbare Methoden sind z.B. die Entwicklung von Personas in Verbindung mit einer Empathie-Map und einer datenbasierten Erstellung von Customer Journeys. Extern arbeitet man bis heute mit stilisierten Personas, also den perfekten Kundentypen, die die Produkte nutzen wollen.

Doch es reicht in meinen Augen nicht mehr, diese nur anhand von Zahlen und statistischen Erhebungen zu erstellen. Vielmehr sollte man sich fragen: “Wie lerne ich meinen Kunden am besten kennen?”, “Wie nutze ich seine oder ihre Wünsche, um ihm oder ihr das Leben zu erleichtern?” und “Warum sollten die Menschen meiner Marke vertrauen statt den Marktbegleitern?”.

Simon Sinek - Start With Why

Es geht dabei vor allem darum, sich in den Kunden hineinzufühlen. Beispielsweise wird in unserer aktuellen Zeit oft die wichtigste Ressource von uns Konsumenten – die Zeit – vergessen. Ich selbst bin wie ein Großteil der Menschheit ebenfalls zeitlich stark eingespannt. Je mehr Zeit ich in meinem Alltag durch die Nutzung von sinnvollen Produkten spare, desto mehr hab ich davon für meine Familie.

Ich bin ein aktiver Nutzer von Lebensmittel-Lieferdiensten wie Flaschenpost. Deshalb bin ich dabei auch gewillt, mehr Geld beim Kauf von Produkten bei einem Supermarkt auszugeben, damit der mich am Wochenende beliefert, da ich mir so den zeitintensiven Gang in den Laden spare. Bei diesem digitalen Produkt habe ich das Gefühl, dass es von Menschen entwickelt wurde, die sich sehr gut vorstellen können, wie sie mein Leben ein Stück weit optimieren können.

Was Product braucht

In einer Zeit, in der jedes Produkt nahezu überall und sofort verfügbar ist – zumindest in der westlichen Welt – und wir in einer Überflussgesellschaft leben, müssen Produkte viel stärker an den Bedürfnissen der Endkunden ausgerichtet werden und benötigen einen hohen Mehrwert, damit sie genutzt werden. Für mich gibt es in diesem Fall gar keinen Unterschied zwischen physischen und digitalen Produkten; nur werden letztere es viel einfacher haben, sich kontinuierlich am Nutzungsverhalten weiterzuentwickeln, denn es gibt hier schnellere und kleinere Iterationszyklen, keinen Einsatz von physischen Materialien und somit viel günstigere Test-Szenarien.

Digitale Produkte können im Vergleich zu physischen Produkten nicht nur schneller entwickelt und auf den Markt gebracht werden – sie können sich zudem interaktiv an den Nutzer entlang weiterentwickeln und dadurch kontinuierlich besser werden. Ein sehr gutes Beispiel ist in diesem Fall FreeNow (ehemals MyTaxi), die einen disruptiven Ansatz im Taxi-Markt gefahren sind und noch immer intensiv an der Optimierung des Nutzererlebnis arbeiten.

Ebenfalls positiv ist Airbnb, die als pragmatische Alternative zu Hotels entstanden sind und jetzt eine der größten Reiseplattformen der Welt mit einer aktuellen Marktbewertung von 30 Milliarden Dollar geworden ist. Im physischen Produktbereich geht es im Hier und Jetzt darum, wie man ein bestehendes Produkt komplett neu denkt und baut. Klassische Beispiele für diese neue Denkweise sind der iPod von Apple inklusive dem – mittlerweile an Bedeutung verlierendem – Ökosystem iTunes oder auch das Elektro-Auto von Tesla.

Was Promotion kann

Wenn Purpose und Produkt an den Faktor Endkunden – also People – ausgerichtet sind, sollte das die Promotion natürlich auch sein. Wir leben in einer Welt mit vielen Optionen, was unser menschliches Gehirn oft vollkommen überfordert. Deshalb suchen wir nach Orientierung, weshalb meinungsprägende Influencer in den sozialen Medien überhaupt so erfolgreich sind. Sie erklären uns ein Stück weit die Welt so, wie wir sie gerne hätten.

Aus diesem Grund sollte Social Media als Marketing-Kanal bei der Kommunikation – also der Promotion – des Unternehmens definitiv bedacht werden. Selbstverständlich gilt auch weiterhin, dass ich genau prüfen muss, in welchem Kanal ich mein Marketing-Budget stecke. Stets ausgerichtet an meiner Zielgruppe und dem Werteversprechen meines Unternehmens und meiner Produkte.

Für den Einen ist es Facebook, für den Anderen TikTok. Und der Dritte wird am ehesten über Flugblätter erreicht. Mehr Flexibilität empfehle ich bei der Budget-Allokation. Fixe Budgets, die im Vorjahr definiert werden, passen nicht zu einer sich mit hoher Geschwindigkeit verändernden Marketing-Welt. Dazu gehört auch mehr Mut in der Ausgestaltung der Formate. Positive Beispiele sind hierbei die “About You Influencer Awards” und das “About You Pangea Festival”. Beides sind Formate, die nicht linear auf die Kennzahlen des Unternehmens einzahlen, aber durch die hohe mediale Präsenz einen starken Einfluss auf die Marke haben.

Der Preis ist zu vernachlässigen

In diesen neu definierten 4Ps kommt der Preis nicht vor und manch altem BWLer steigt dabei sicher auch der Puls. Doch in meinen Augen muss der Hauptfokus viel deutlicher auf dem Kunden liegen. Denn: Wenn ich das optimale Produkt für die richtige Zielgruppe anbiete und es entsprechend auf den passenden Kanälen emotional promote, DANN sind meine Kunden auch bereit, dafür (mehr) zu zahlen. Siehe Apple. Siehe Tesla.

Oder siehe mich, wenn ich zehn Euro für den Online-Supermarkt mehr bezahle, weil mir durch die Lieferung der Offline-Gang erspart bleibt.

Auch der alte Faktor “Place” muss bei der Neudefinition nicht mehr explizit erwähnt werden, denn gerade bei digitalen Produkten spielt er keine wirklich Rolle mehr, da er über die neuen Möglichkeiten der “Promotion” automatisch mit abgedeckt sein sollte. Kundenzentriertes Denken ist der Schlüssel zum Erfolg in Zeiten in der Digitalisierung. Das bedeutet auch: Altes anpacken und anpassen, um Neues zu ermöglichen.

Ich bin überzeugt: Diese neu definierten 4Ps werden dabei helfen.